Soweit, so gut. Aber wo bleibe ich denn da als Person? Was ist mit meiner ganz persönlichen Souveränität? -Betrachtet man die Begriffe, die um die Freiheit als Person kreisen, spricht man eher von Autonomie, mancherorts auch von Selbstbestimmung. Souveränität hingegen ist Staatssache und bestimmt sich als Verhältnis von Staaten zueinander. Wer zum Kreis der Souveränen gehört, handelt sich für gewöhnlich in der Praxis selbst aus. In diesem Punkt unterscheiden sich Kinder im Sandkasten kaum von Staaten; Sand und Sandburgen kaum von Strukturen. So entschied der Verfassungsgerichtshof Spaniens beispielsweise, dass die einseitige Unabhängigkeitserklärung der katalanischen Regierung unwirksam sei und ihr Recht auf Autonomie keineswegs Souveränität bedeute. Der Sandkasten hat sozusagen gesprochen. Souveränität schlägt also Autonomie. Sie ist absolute Verfügungsgewalt und mehr als bloße Selbstbestimmung. Sie ist auf Augenhöhe zur Macht und duldet keine anderen Ansprüche ohne existentielle Konfrontation. Doch Souveränität -ob nun digitale oder analog- kann es für mich als Einzelperson so kaum geben.

Subjekte sind nunmal keine Staaten und ich wenig daran interessiert, das grundlegend zu ändern. Als Person allerdings bin ich sehr wohl daran interessiert, all das verantwortungsvoll zu nutzen, was in meinen Möglichkeiten liegt und wodurch sich meine Freiheit bestimmt. Mal ab von den politischen Teilhabemöglichkeiten, interessiert mich, wie man Selbstbestimmung im Gusto einer digitalen Autonomie selbst denken kann. Gelernt haben wir bis hierhin, dass Souveränität keine wirklich freundliche Koordination von Interessen ist. Auch wenn Sandkästen etwas Schönes sind, Stress gibt es eigentlich immer. Autonomie hingegen achtet zumindest im kant’schen Sinne die Gesamtinteressenlage aller Individuen: “Autonomie des Willens ist die Beschaffenheit des Willens, dadurch derselbe ihm selbst […] ein Gesetz ist. Das Prinzip der Autonomie ist also: nicht anders zu wählen, als so, daß die Maximen seiner Wahl in demselben Wollen zugleich als allgemeines Gesetz mit begriffen sein” (Quelle: http://www.zeno.org/nid/20009189637). Autonomie ist demnach etwas, was sich koordiniert, eben eine Machtstruktur anerkennt. Diese Machtstruktur -ohne sich an dieser Stelle zu weit treiben zu lassen- begrenzt sich durch die Interessen der anderen. Begreift man den Staat als einen Ausdruck dieser Interessen, so ist auch er mit in diese Überlegungen einzubeziehen, gleichsam als Begrenzung als auch auch Vehikel von Veränderung. So wie Katalonien von Spanien dominiert wird, sind wir es als Individuen auch, aber haben wir auch in einem ähnlichen Sinne unsere Autonomie. Die Erkenntnis ist nicht neu. Und wird sicherlich in seinem Anspruch auch von der Mehrheit bestätigt.

Was bringt uns das aber im Digitalen? -Auch der Privatmensch hat seine Probleme mit dem Digitalen wie Cookies, die einen tracken. Generell die Überwachung über Smart-Devices wie Smartphones und Wearables, Streamingsdienste, die unsere Konsumgewohnheiten von Unterhaltungssendungen verfolgen, Apps und Programme, in denen wir mit unseren personellen Daten zahlen statt mit Geld wie für eine gewöhnliche Dienstleistung. Und natürlich Socialmedia. Als Privatperson bin ich schier überwältigt von den systematischen und von mir meist unreflektierten Infragestellungen meiner Selbstbestimmung durch digitale Medien. Auch mir als Autor ist grad in diesem Augenblick nicht voll bewusst, welche Ausmaße das annimmt, wo die Gefahren genau liegen und wie weitreichend sie sein können. Ein kleiner Hinweis in diese Richtung mag Datenanalyst David Kriesel geben, der anhand von Veröffentlichungsintervallen einzelner Redakteure von Spiegel-online ermitteln konnte, wer wann mit wem Zeit verbringt. Sobald deine Daten im Netz landen, entscheidest nicht mehr Du, wie gefährlich sie sind, sondern dein Gegner, so Kriesel für den NDR. -Auch unter diesem Aspekt kann von Souveränität keine Rede sein.

Wo geht‘s denn bitte raus hier?!

“Das ist mein konkreter Handlungs-Plan und keine spinnerte Retro-Nostalgie, mit der ich die Blogosphäre der 2010er Jahre wieder beleben möchte. Nein! Es ist ein ganz klarer Akt der Digitalen Autonomie”

C. Surrey

Was ist denn nun die Chance des Individuums in diesem ganzen Schlamassel? -Autonomie ist grundsätzlich immer eine Antwort, wenn es um Selbstbestimmung geht. Wortwörtlich meint der Begriff soviel wie Selbstgesetzgebung, was ungefähr als selbstständiges Auferlegen von Handlungsregeln oder von Gesetzen wie Kant es immer so schön formuliert, bedeutet. Autonomie- und damit ist auch die digitale Autonomie gemeint- kann nur stattfinden, wenn ich als Einzelperson genug weiß, um mir in diesem Wissen fundierte Handlungsregeln aufzuerlegen. Und das ist nichts anderes als sein digitales Handeln planvoll und möglichst reflektiert zu gestalten. Digitale Autonomie gilt für das Kleine, für das Alltägliche, für jeden kleinen Schritt, den ich in der digitalen Welt gehe. Sie gilt für das Speichern und Aufbewahren meiner Daten, sie gilt für das Bewusstsein der Datenabfrage in Apps, für schier unendlich viele kleiner Datenschritte. Und ja, es ist kompliziert, keine Frage!

Die Augen zu verschließen vor der Komplexität dieser Aufgabe ist nicht weniger als den Sandkasten komplett zu räumen. Aber wenn ich nun weiß, dass ich ein Mitteilungsbedürfnis besitze, weil es mir seit Jahren durch die lieb-gewonnene Nutzung von Socialmedia ans Herz gewachsen ist; wenn ich nun weiß, dass ich mir mein digitales Leben nicht ohne einen eigenen kleinen Platz im Netz vorstellen kann; wenn ich denn letztlich genau so gut weiß, dass Socialmedia und Konsorten mir diese Bedürfnisse nicht uneigennützig bereitwillig und kostenlos zur Verfügung stellen, sondern ganz klar algorytmisch die Manipulation meiner Handlungen zum Ziel haben, dann habe ich selbst meinerseits die Pflicht, eine eigene Internet-Seite zu erstellen, eine eigene Handlungsregel zu erstellen. Dies hier ist mein konkreter Handlungs-Plan, fundiert in meinem Wissen über mich und dem Bewusstsein von prinzipiell begrenztem Halbwissen über das Digitale und keine spinnerte Retro-Nostalgie, mit der ich die Blogosphäre der 2010er Jahre wieder beleben möchte. Nein! Es ist ein ganz klarer Akt der Digitalen Autonomie; und wie tatsächlich ziemlich Weniges in dieser Zeit: vollkommen alternativlos. Wir befinden uns mitten im digitalen Mediatisierungsgschub und ich möchte teilhaben daran; und mitbestimmen. Bestimmen über mich selbst und in winzig kleinen Dosen als Teil der Allgemeinheit auch über die Allgemeinheit. Wie steht’s mit Dir?

Quellen: 

https://www.ndr.de/nachrichten/netzwelt/Big-Data-Gefahren-fuer-Journalisten,spiegelmining104.htmlQuellen: 

https://de.wikipedia.org/wiki/Souveränität

https://de.wikipedia.org/wiki/Digitale_Souveränität

https://www.medienpolitik.net/wp-content/uploads/2014/01/zukunftspfade-digitales-deutschland-2020.pdf

https://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/der-einfluss-von-google-und-co-ist-enorm-deutsche-unternehmen-fuerchten-um-digitale-souveraenitaet/26928786.html

https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/politik/europa/927861-Autonomie-bedeutet-nicht-Souveraenitaet.html

http://www.zeno.org/Philosophie/M/Kant,+Immanuel/Grundlegung+zur+Metaphysik+der+Sitten

http://www.zeno.org/nid/20009189637

https://www.zeit.de/digital/2021-03/digitalisierung-eu-angela-merkel-regierungschefinnen-souveraenitaet-kritik-defizite